Multibrand – Strategie und seine Rolle für die Realität des Automarkts

Stellantis ist das Dach 14 bekannter Automobilmarken sowie von Carsharing- und Leasing-Angeboten. 2022 kündigte das Unternehmen an, den europäischen Markt durch eine Multibrand-Strategie zu erneuern. Als langjähriger Partner der Stellantis-Tochter Opel bot sich Vizona als Umsetzer an – und realisiert nun die Markenkonzepte für Citroën, Peugeot, Opel, Jeep, Fiat und dessen Schwester Abarth. Im Interview berichtet Vizona-CEO Matthias Hummel, wie dieser neue Ansatz real wurde und welche Rolle er für die Realität des Automarkts – und andere Branchen – spielen könnte.

Wärmen wir den Motor zunächst etwas auf. Bitte vervollständigen Sie diese vier Thesen:

Ein Autokauf sollte …

MH Freude bereiten.

Ich frage mich schon lange, warum …

MH nicht mehr Emotion in die Verkaufsräume gebracht wird.

Die Generation Z?

MH Hat sich glaube ich noch nicht gefunden.

Hybride Nutzungen von Autohäusern …

MH könnten, abhängig vom Standort, Erfolg haben.

Die Idee der Multibrand Houses …

Schauen wir uns die Idee der „Multibrand Houses“ von Stellantis an. Statt einer oder mehrerer beliebiger Marken werden viele Händler nun eine größere Markenbreite ein und desselben Konzerns verkaufen. Wie sieht das vor Ort aus?

MH Ich fand es sehr eindrücklich, wie zunächst die Aussage und DNA jeder einzelnen Marke ganz konsequent herausgearbeitet wurde. In Harderwijk zum Beispiel haben wir ein Haus, aber vier Marken, vier Eingänge, vier Darstellungen, vier Identitäten. Trotzdem kann man sich innen frei von einer zur anderen Marke bewegen.

Wie wirken die Markenauftritte auf Sie? Kommt hier mehr Emotion auf die Fläche, auch für eine jüngere Kundschaft?

MH Definitiv. Bei Fiat wird die Idee des Dolce Vita stark gespielt. Bei Peugeot haben wir viel Glas, ein changierendes Farbkonzept und Materialien mit hohem Recyclinganteil. Bei Opel findet geradezu ein Identitätswechsel statt. Mal sehen, ob sich auch die klassischen Opelfahrer in der neuen, jungen Coolness wiederfinden.

Händler haben bei diesem Konzept je Marke weniger Autos vor Ort. Wie wird das abgefangen?

MH Der Verkaufsprozess wird viel mehr über elektronische Unterstützung gesteuert. Mit großen Screens, Fahrzeugkonfiguratoren, virtuellen Lösungen, aber auch mit klassischen Handmustern für Lacke und Stoffe.

Worin sehen Sie die Stärken des Ansatzes?

MH Das Qualitätslevel wird über alle Verkaufsstellen gehoben und die einzelnen Marken bekommen eine stärkere Präsenz. So etwas kann nur von einer Dachmarke ausgehen, nicht vom einzelnen Händler, für den die Sub-Brands oft sogar in Konkurrenz stehen. Vor allem im Premium-Bereich kann die Multibrand jetzt neue Modelle in den bestehenden Häusern mit präsentieren, für die vorher die Händler gefehlt hätten.

Was könnten andere Retailer und Branchen von diesem Beispiel lernen?

MH Die Konzepte bespielen treffsicher das Image der Marke. Die Neutralität oder auch Coolness, die man oft in Autohäusern sieht, wird aufgehoben. Für den Automobilsektor ist das neu und – für eine Mehrmarkenstrategie – sicher ein guter Ansatz. Ich glaube, dass auch große Modemarken davon lernen könnten.

Nicht zu meinen, jeden ansprechen zu können. Stattdessen das Profil schärfen. Eine klare Markenbotschaft mag nicht jedem passen, aber man bekommt eine wertvolle Zielgruppe, die sich konkret angesprochen fühlt. Ein gutes Beispiel dafür ist Hugo Boss. Was hat die in den vergangenen Jahren so erfolgreich gemacht? Sie haben ihre einzelnen Linien, von Hugo Orange bis Hugo Blue, wieder stärker fokussiert und auf Zielgruppen aufgeteilt. Ähnliches kann man an der Strategie von Volkswagen rund um die neue Marke CUPRA beobachten.

Hat der Multibrand-Ansatz auch Vorteile aus Perspektive des Ladenbaus?

MH Natürlich, die Umsetzung verläuft viel schlanker und günstiger. Wir können alle Marken auf einmal anliefern und montieren und kommen nicht für jedes einzelne Re-Design extra vorbei.

Wie hat Vizona als Umsetzer das Projekt erlebt? Immerhin enthielt schon die Ausschreibung nicht eines, sondern neun Markenkonzepte.

MH Die Selektion war sehr tough, da haben sich nur wenige bewährt. Für den Pitch haben wir alle neun Marken bemustert und alle Regionen angeboten. In der Prototyping-Phase, als die Marken bereits auf drei Umsetzer aufgeteilt waren, hatten wir sechs Wochen Zeit, um sechs Konzepte aufzubauen. Das muss man erstmal leisten.

Hat die gleichzeitige Zusammenarbeit mit so vielen Marken den Job nicht schwierig gemacht?

MH Besonders fand ich, dass ein zentrales Kundenteam auf Dach-Ebene diese sehr unterschiedlichen Marken entwickelt hat und dann mit uns in die Umsetzung ging. Ich wüsste nicht, wer das im Automobilsektor bislang noch gemacht hätte. Dadurch war auch die Kommunikation sehr zugespitzt. In einem halben Jahr hatten wir gemeinsam die Stores entwickelt. Es hat uns selbst beeindruckt, dass das möglich war und wie gut diese Struktur funktioniert hat.

Wie setzt sich Vizona von anderen Ladenbauern ab?

MH Geschwindigkeit ist schon eine entscheidende Voraussetzung. Wir sind sehr schnell in der Zusammensetzung des Teams und in den Entscheidungen. Unsere Abstimmung verläuft nahtlos, denn wir machen alle Vorleistungen, also Projektmanagement, Entwicklung, Konstruktion, inhouse.

Was braucht Vizona als Ladenbauer vom Automotive-Bereich?

„Spannende neue Konzepte.“